Miss Molly und die Elfenbeinküste

Ärgern Sie sich über Spam Mails?
Ich schon. Meistens. Insbesondere, wenn ich so vermeintlich passgenaue Werbung aufgrund meines Kaufverhaltens zugesandt bekomme. Da bestellst Du einmal ein Kleidungsstück in Größe 44 – und drei Tage später werden Dir in Deinem Mailaccount ungefragt Diät-Produkte und Minimizer-BHs angepriesen, während der Postbote mit abfälligem Blick Übergrößenkataloge liefert, die Du nie bestellt hast, und die von Firmen kommen, die so fröhliche Namen tragen wie Happy Size oder Miss Molly.
Der Tag ist dann erstmal gelaufen. Da kann man schon mal aus Frust ne Tafel Schokolade drauf essen. Ich meine, was schicken die Menschen, die Größe 34 bestellen? Essen? Probiere ich vielleicht einfach mal aus. Ich bestelle ein Kleid in 34, ne Babymütze, Inkontinenzeinlagen und ne Bohrmaschine. Allein schon um dieses fiese Programm mal zu verwirren, das da immer mein Käuferprofil erstellt. Da soll es sich mal die Zähne dran ausbeißen.

Mein Friseur Günther zum Beispiel ist Biker, so richtig durch und durch. Cooler Typ. Der kocht auch keinen Kaffee, wenn Du kommst, der sacht hinsetzen, Haare schneiden. Kaffee kannze nebenan trinken. Und während er so schnippelt und von den kurvigen Pisten in Südfrankreich erzählt, glänzen seine Augen und Du meinst, ganz leise Motorengeräusche in seiner Stimme zu hören.  Wäre Günther ein Wein, in der Karte würde vielleicht stehen „Schnittig und von großer Klarheit, gereift am Westhang, am Gaumen zarte Aromen von Shampoo und Motoröl“.
Ich liebe Günther.
Was Günther wiederum nicht liebt ist die Werbung, die er ungefragt bekommt. In Reminiszenz an seine erste Maschine hat er nämlich eine E Mail Adresse, die das Wort Triumph enthält. Was er also kriegt ist – genau, Unterwäschewerbung.
Das kann so eine Bikerseele schon mal kränken.

Doch seit einiger Zeit beobachte ich auch eine andere Seite der Spammails.
Schalte ich nämlich Montag früh im Büro den Rechner ein, ploppen normalerweise jede Menge übellauniger Nachrichten auf: Eine Kollegin erinnert an den fälligen Projektbericht, der Zentraldrucker ist kaputt und beim nächsten Meeting muß ich Protokoll schreiben. Der Umgangston ist sehr geschäftlich. Immer öfter werden jetzt auch die Anreden weggelassen. Wirklich wertgeschätzt fühlt man sich dann nicht, so am frühen Montagmorgen.
Wenn ich aber Glück habe, ist dann eine E Mail von der Elfenbeinküste dabei.

„Hallo Liebste!
Ich tief es ein Respekt und demütiger Unterwerfung, ich bitte die folgenden Zeilen für Ihre Überlegung zu erklären. Ich hoffe, dass Sie einige Ihrer wertvollen Minuten ersparen folgenden Aufruf mit sympathischen Gedanken zu lesen. Ich muss zugeben dass es mit großen Hoffnungen ist, Freude und Begeisterung, die ich Ihnen diese Mail schreiben, die ich kenne, und glauben, durch den Glauben, dass es sicherlich Sie in einem guten Zustand der Gesundheit finden müssen.“

Danach kommt natürlich die übliche Geschichte von abgestürzten Verwandten, herrenlosen Erbschaften auf Privatbanken und die Aufforderung, meine Kontonummer mitzuteilen – man möchte mir 3 Mio. € überweisen, usw.

Aber soweit lese ich gar nicht mehr. Nur diesen ersten Passus, und den auch gerne mal 3x hintereinander. Liebste… Ich tief es ein Respekt… und demütiger Unterwerfung… – Yes. Da fühlt man sich doch mal gesehen.
Mein Lächeln wird echt, die Gedanken sind bunt. Der Tag gehört mir. Und wer weiß – vielleicht lasse ich das Protokoll des nächsten Meetings nachher einfach mal durch das Übersetzungsprogramm laufen, bevor ich es über den Verteiler schicke. Ins Spanische übersetzen, von Spanisch zu Kirgisisch und dann zurück ins Deutsche.

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