Junge, Junge

Ich bin so müde, so unglaublich müde. Manchmal glaube ich, ich werde nie wieder wach sein. 
So wenig geschlafen habe ich gar nicht. Manchmal denke ich, es liegt an meiner Art, durch die Welt zu laufen und die Dinge wahrzunehmen. 

Hm, wie kann ich das erklären?
Zusätzlich zu den Dingen, die ich tatsächlich wahrnehme, laufen in meinem Kopf immer noch mehrere Parallelebenen ab. Gerade eben beim Bäcker, zum Beispiel, ist schon wieder passiert: 
Die Namen der Brötchen haben mich aus der Fassung gebracht. 

Dann höre ich mir zu, wie ich Sätze sage wie 
„Ich hätte gerne zwei Junggesellen bitte“ und dann verwirre ich mich selber mit den Bildern und Szenarien, die sofort ungefragt vor meinem inneren Auge ablaufen. 

Kopfkino Nr. 1: 

„Ich hätte gerne zwei Junggesellen bitte!“ 

Die Zange des Bäckereifachverkäufers senkt sich auf einen Berg zappelnder kleine Männchen, zwei von ihnen werden in die Brötchentüte geworfen werden, vielleicht noch etwas verkatert vom Vorabend, Junggesellenabschied, ja, sie wollten es krachen lassen, aber dieses Ende hatten sie nicht erwartet. Hangover ist ein Scheiß dagegen, denken sie, während sie die Chiasamen aus den Haaren schütteln und sich auf ein Rosinenbrötchen retten. Junge, sagt der eine. Und in der Tat, so heißt der Bäcker. 

Kopfkino 2: 

„Ich hätte gerne zwei Junggesellen bitte!“
„Warten sie, da muss ich hinten nachsehen“, sagt der Bäckereifachverkäufer freundlich und verschwindet Richtung Backstube. Er kommt in Begleitung zweier junger Männern zurück, die ihre Schürzen und ihre Bäckermützen abnehmen, während sie auf mich zukommen. „Genau zwei haben wir noch“ sagt der Verkäufer erfreut.
„Danke“ sag ich und betrachte sie mir. „Ich mag sie eigentlich lieber, wenn sie etwas dunkler sind“ sage ich, „aber sei´s drum.“ 
Ich zahle. Wir gehen. 

Leider muss ich sagen, dass sich nur ein Szenario wirklich ereignet hat, und zwar 

Nr. 3:

„Ich hätte gerne zwei Junggesellen bitte!“
„Die sind leider aus“ sagt der Bäckereifachverkäufer bedauernd und deutet auf die reich gefüllte Auslage mit allerlei anderen Sorten. „Darf´s was anderes sein?“ 
Ich lasse meinen Blick schweifen, schwierig, vom Wikinger über den Proteinkracher bis zum Kürbis-Softie ist wirklich alles dabei. Dann habe ich mich entschieden. Ich zeige auf die besonders kernigen Brötchen links außen. 
„Dann nehme ich zwei Ladykracher, bitte“ höre ich mich sagen. Der Verkäufer mustert mich kurz fragend, dann folgt er meinem Fingerzeig.
„Zwei Roggenkrosser, sehr gerne“ sagt er. 
Das ist mir jetzt schon ein bisschen peinlich. Gott sei Dank hat kein anderer Kunde mitgehört. Manchmal ist der Mindestabstand ja doch zu was gut. 

Würde ich eine Bäckerei aufmachen, denke ich beim Rausgehen, wie würden meine Brötchen heißen? 
Ladykracher ist doch eigentlich gar nicht übel, tröste ich mich. Eine Berlin-Edition könnte es geben: die Gerstengöre. Die Dinkel-Bitch. Oder zu Ehren meines Lieblings-Kneipenwirts: den Weizen-Heinzi. 
Denkbar wäre auch eine Musikedition:  Keim after Keim. We will back You.  

Und weil die Welt noch nicht genug Wortspiele hat, mache ich nebenan einen Friseursalon auf. Und ich nenne ihn Hairy Potter. Oder Haireinspaziert. 
Und daneben den Tätowierladen, und den nenne ich Tattoo Tata. 
Und…

Manchmal ist es ganz schön anstrengend, ich zu sein. 
Davon kann man manchmal wirklich ganz schön müde werden.