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Mein Leben im Spamordner

Ich finde, es gibt seltsame Indikatoren für den Zustand des eigenen Lebens, dieser Tage. Der Spamordner ist einer davon. 
In meinem Spamordner wechseln sich momentan die Angebote für Diätprodukte, Potenzpillen und Cannabis-Öl ab, außerdem fordert man mich auf, eine Affäre mit einer verheirateten Frau zu haben. Ich habe über jede einzelne dieser Mails länger nachgedacht als ich es hier zugeben werde. 
Schön finde ich, dass ich offensichtlich auch wieder Unterwäschewerbung bekomme, allerdings weniger für die mit der schicken Spitze als vielmehr für sogenannte Funktionsunterwäsche. „Funktionsunterwäsche“! Wenn man mich fragt, hat früher auch die Spitzenwäsche ganz gut  – funktioniert, aber nu. Jetzt geht es ums Halten, Schnüren und Formen von Dingen und Körperteilen, die nicht mehr für sich selbst sorgen können. 
Mein neuestes Stück ist von Triumph. War in vier Tagen da, macht locker 10 Jahre Schwerkraft wieder wett: Der Tri Action High Performer mit Anti Bounce Technologie ist mein bester Freund; in der Liste der traurigsten Sätze meines Lebens ist dieser recht weit vorne. 

Älterwerden ist echt ein Thema und ich schätze, es ist gekommen um zu bleiben. Dieses schleichende vor sich Hinwelken empfinde ich persönlich als sehr herausfordernd. Mein Kollege Lukas hat ein Wort dafür erfunden: Welkschmerz. 
Nachdem wir neulich am Rande einer Probe darüber gesprochen hatten, wie die Zeit rast, und dass wir uns langsam beeilen müssen mit diesem „Berühmtwerden“, von dem immer die Rede ist, da kamen mir auf dem Nachhauseweg auch so ein paar Gedanken. Dass wir den Zenit überschritten haben. Diese Phase von Sex and Drugs and Rock´n´Roll verpasst, wo sich das Publikum für uns die Kleider vom Leib gerissen und Unterwäsche auf die Bühne geworfen hätte. Ich habe mir das so richtig ausgemalt, in bunten Farben – aber sein wir realistisch: Wenn da doch nochmal was fliegt, ist es Kompressionsware oder hat zumindest einen Bequembund und einen hohen Elasthananteil. Und wir würden es auch gar nicht aufheben. Weil wir nämlich Rücken haben, verdammte Axt. 

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„Gute Momente“ bei der Ladies Night

Ladies Night Susanne M. Riedel © WDR/M.Grande

Leute! Ich war bei der ARD Ladies Night in Köln und hatte dort sehr viel Spaß mit den tollen Kolleginnen Lisa Feller, Katie Freudenschuss und Franziska Wanninger. Schaut euch ruhig die ganze Sendung in der Mediathek an, hier geht’s zu meinem Auftritt:

https://www.ardmediathek.de/video/ladies-night/susanne-m-riedel-oder-13-04-2024/das-erste/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtNWUwNzRiYjktYmFiNi00ODMwLWI0YTktOGMxOTA1YWM0YjZj


Gerade neulich

Freitagabend. Nach langer Zeit habe ich mal wieder einen Auftritt! Aber…

Ich fang mal anders an.
Heute Abend bin ich mit meiner alten Freundin Tessa verabredet. Ich freue mich sehr, Tessa und ich kennen uns schon seit unserem 10. Lebensjahr und haben uns jetzt eine ganze Weile nicht gesehen.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber je älter ich werde, desto öfter verschätze ich mich mit Zeiträumen. Bestimmt kennt Ihr diese Frage, über die man dann gemeinsam nachgrübelt, wenn man sich wiedertrifft: „Mensch, wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen?“ Ich liege bei der Antwort verlässlich daneben, weil ich eigentlich immer denke „Na, gerade neulich“ – und dann ist dieses neulich bei näherem Überlegen, zack, doch schon 5 Monate her. Oder Jahre. Oder was weiß ich.
Sebastian sagt ja: „Du merkst, dass Du 50 bist, wenn alles, worüber Du redest, mitmal zwanzig Jahre her ist.“ Aber damit mag ich mich noch nicht so richtig abfinden.
Es gilt also, Anhaltspunkte zu finden.
Man erinnert sich vielleicht, dass es bei der Hochzeit von Tommy und Jana gewesen sein muss, gerade neulich halt. Und dann fällt einem auf, dass die beiden zwar immernoch verheiratet sind, aber nicht mehr miteinander, und es deshalb vielleicht doch die Art von neulich ist, die schon etwas länger zurückliegt.
In letzter Zeit gibt es ja glücklicherweise zusätzliche Erinnerungsstützen beim Einordnen.
Dann erinnert man sich vielleicht, dass man sich bei dieser Party von Tanja zuletzt gesehen hat, weißte noch, oder in der Kneipe mit Eric, genau, und waren wir da nicht zusammen bei Pattis Auftritt? Na, und dann weiß man schon mal, dass es definitiv über ein Jahr ist. Weil es noch Partys gab. Und Kneipen. Und Bühnen.
Gerade neulich.
Lange her.

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Blauer Himmel, roter Faden

Neulich bin ich anlässlich meines Geburtstages gefragt worden, ob es eine Art roten Faden gäbe, der sich durch mein bisheriges Leben zieht. 
Darüber denke ich seither nach, auch jetzt, während ich über den alten Bauernhof schlendere, durch die alte Scheune hindurch, dann den Hügel hinauf zu den Streuobstwiesen. 
Von hier aus hat man einen atemberaubenden Blick auf das Brandenburger Nirgendwo, in das mich meine Sehnsucht nach Horizont heute verschlagen hat. Hier und jetzt halte ich einen geschätzten Mindestabstand von 1,5 km zum Rest der Menschheit ein, ganz freiwillig, es ist herrlich. 
Auf der Wiese suche ich einen Lieblingsplatz, breite meine Jacke aus und drehe mich wie ein Hund dreimal um die eigene Achse, bevor ich mich niederlasse. Mit dem Rücken lehne ich an einem alten Apfelbaum, die Art von Baum, die aussieht als hätte sie eine Menge zu erzählen. Ich schließe die Augen und lausche eine Weile. 
Die Feldlerchen machen Rabatz, der Sound erinnert ein wenig an den jungen R2D2, auch die Kohlmeisen zwitschern und der Ruf eines Schwarzspechtes knattert durch die frische Luft. Alles ruft Ich! Ich! Hier! 
Frühling, endlich. 
Zufrieden blinzele ich in die Landschaft. 
Weiter hinten am Hang erspähe ich Weidenkätzchen, stolz recken sie ihre Zweige in die Sonne. Ich gebe dem Impuls nach und laufe hin, um ihre frischen flauschigen Knospen anzufühlen. Ein herrliches Gefühl. 

Und eine Erinnerung meldet sich… 

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Ein Sommerabend (oder: Die Krux mit dem Kontext)

Schon als ich zur Tür reinkomme, spüre ich seinen Blick auf mir.  Kein Zweifel, der junge Mann sieht wirklich attraktiv aus. 
Ein warmer Sommerabend, ein Hauch von Gewitter liegt über der Stadt, ein Luftzug trägt den Duft von Lindenblüten und heißem Asphalt in den Raum. Ich suche mir einen Platz und lächele in mich hinein, denn mein Gefühl hat mich nicht getrogen:

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Sehnsucht nach Rauchzeichen

Ich stehe in der Küche. Mein Induktions-Herd hat sich ausgeschaltet, weil er mich vor irgendeiner Gefahr beschützen will, die ich nicht sehe. Die Nudeln sind noch jenseits von al dente, ich habe Hunger, die Kindersicherung blinkt und ich finde die Bedienungsanleitung nicht.
Im Radio reden sie darüber wie man Organe mit 3D-Druckern herstellen kann.
Und ich habe es heute Morgen nicht mal geschafft, die Verteiler-Liste für die Lesebühne in Outlook zu importieren. –
Wann ist mein Leben so kompliziert geworden?

Mittlerweile kann ich die Aussteiger verstehen, die ihre Handys verschenken,  in abgelegene Hütten ziehen und ihr Gemüse selbst anbauen.
Es ist soweit, dass ich mich nach offenem Feuer sehne. Ehrlichem Holz. Sehnsucht nach Rauchzeichen weiterlesen

Reisen bildet

Ich lausche nicht.

Also, eigentlich. Mithören, das tu ich schon hin und wieder. Man hat ja nicht immer die Wahl. Heute früh in der Bahn zum Beispiel war es wieder soweit.

R4 Richtung Rathenow. Zwei mittelalte Frauen in erdfarbenen Anoraks saßen neben mir und redeten miteinander. Ich weiß, „Anorak“ sagt heute kein Mensch mehr. Aber glaubt mir, das was die anhatten – das waren Anoraks.
Wenn ich hier schreibe, sie redeten miteinander, ist das möglicherweise ein bißchen übertrieben. Vielmehr könnte man sagen, sie… redeten. Ich kenne das aus meiner Verwandtschaft. Alle sitzen um den Tisch und jeder erzählt was vor sich hin, nickt ab und zu einem anderen zu und tut so als würde er dem zuhören. Als Kommunikation getarnte Monologe. So war das bei den Anoraks auch. O-Ton: Reisen bildet weiterlesen