Es ist der 24. Dezember.
Der Himmel ist blau, die Sonne scheint warm und hell vom Himmel.
Ich klage meiner Freundin Moni: auf meinem Balkon rankt die Kapuzinerkresse und die Rosen kriegen neue Triebe… Sie sagt sehr trocken „Was soll ich sagen? Ich hab Himbeeren.“
Vor der Archenhold-Sternwarte soll ein Kirschbaum blühen.
Ich schaue nochmal in die Mails, bevor ich mich der Weihnachtsküche widme.
Xing schreibt mir.
„Schöne Bescherung, Frau Riedel! “
Zucke innerlich sofort zusammen und überlege, was ich falsch gemacht habe. Mir fällt auch einiges ein – aber das kann Xing eigentlich nicht wissen. Vielleicht meinten Sie es nur lustig. Ho ho ho…
Fitness First immerhin schickt mir einen 10€ -Adventskalender-Gutschein für den Webshop. Ich kann mich damit auch für das Programm anmelden, bei dem man nicht mehr ins Studio kommen muss, sondern den Sport online zu Hause erledigen kann. Kostet extra, aber hey… (Irgendwie erinnert es mich an diesen Sketch, in dem ein sehr erfolgreiches Businesspärchen versucht, im Terminkalender eine Lücke für mal-wieder-Sex zu finden. Es gipfelt nach vielen Terminfindungsschwierigkeiten in dem Satz der Frau: „Na, ich muß ja eigentlich auch nicht unbedingt dabei sein. Schick mir doch einfach das Protokoll.“ So ähnlich stelle ich mir das vor, wenn man online ins Fitnessstudio geht.) Nach all den Keksen, Dominosteinen und Lebkuchen, die wir in den letzten Tagen in uns reingeschaufelt haben, ist das Verlangen nach Sex ohnehin in etwa so groß wie das nach Onlinesport. Verzweifelt suchen wir unser Weihnachtsgefühl. Der Glühwein hat auch nicht funktioniert. Als ich neulich einen Becher trank, in der blinkenden und glitzernden Schloßstraße, zwitscherten die Vögel und es lief ein Typ in kurzen Hosen an mir vorbei. Man möchte eher eine Sangria. Oder einen Caipi vielleicht. Irgendwas mit Eis und Sonnenschirmchen. Und dann lief auch noch so eine Reggae-Version von All I want for Christmas, bei der man auch eher an Palmen denkt als an Tannen.
Und meine Mitmenschen? Helfen mir auch nicht recht, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Gestern beim Warten an der Bushaltestelle, ein Pärchen um die Dreißig, die Glühweinfahnen wehten stramm in der lauen Frühlingsbrise. „Ej, jeh mir jetz nich uff die Hüfte mit Deine Weihnachtstüte. Woher soll ick det denn jetze wissen, wo Deine behinderte Weihnachtstüte is?“ Mütter hielten Kindern schützend die Ohren zu. Ob wegen des Geschreis oder der fröhlichen Dudelsackmusik, die auf der Kreuzung gerade angestimmt wurde, ich war nicht sicher.
Kein Bus, nirgends. O Du Fröhliche. Notiere innerlich:
2016: meditieren lernen.
Mein Sohn kam neulich vom Musikunterricht in der Schule nach Hause und sang lautstark „… voll der Knaaabe im lockigen Haar“.
Vielleicht wohnen wir ja doch schon zu lange in Berlin?
Mein Bruder ruft an. „Die letzte deutsche Lamettafabrik wurde geschlossen.“
Auch das noch.
Weihnachten – war früher leiser.