Butze

Feierabend. Ein nasser Novembertag. Die Menschen in der U Bahn stehen dicht an dicht, die meisten haben das Gesicht zur Faust geballt. Die andern sind Touristen.
Endbahnhof. Bei der Durchsage „This train terminates here“ denke ich manchmal, es könnte auch die sehr freundliche Ankündigung einer Sprengung sein. „Verehrte Fahrgäste, mit diesem Zug geht es jetzt zu Ende.“ „Verehrte Fahrgäste, dieser Zug wird hier terminiert.“ Ich habe zu viele Actionfilme gesehen. Aber bei der Vielzahl von Durchsagen, die einen durchschnittlichen Tag in den Öffentlichen begleiten, würde das vermutlich eh keiner mehr wahrnehmen. Die Fröhlichkeit der automatischen Ansagen macht mich manchmal ganz mürbe. Vor allem, wenn eine Verspätung oder der Ausfall eines Zuges in einem Tonfall angesagt wird, als hätte Heidi Klum genau jetzt ein gaaanz besonders tolles Foto für mich.

Gut, aber diese Zugfahrt ist geschafft, ich trotte mit der Menge zu den Bushaltestellen und warte auf den 186er. Ich warte. Es weht. Es graupelt. Meine Fingerspitzen sind inzwischen so kalt, dass ich nicht mal mehr meinen Ärger in die Welt tippen kann.
Als der Bus endlich kommt strömt die Masse zusammen, als hätte jemand an der Vordertür einen unsichtbaren Stöpsel gezogen. Ich schwappe in den Bus hinein und rette mich auf´s Oberdeck. Alle drin. Aber warum fahren wir nicht los? Ich sehe einen Busfahrer, in Berlinblau, mit Rucksack, der heransprintet. Fahrerwechsel. Auch das noch. Ich probiere so lange aus, wie tief ich mein kaltes Gesicht in meinen grauen Rollkragenpulli versenken kann. Als nur noch meine Augen rausgucken, folgt eine Durchsage.

„Soooo, meine Damen und Herren, schönen juten Tach! Mein Name is Butze, ick bin heute 186 jeworden, deshalb darf ick diesen Bus für Sie fahren. Wenn Se irgendwatt brauchen, wenn Se nich wissen, wo Se aussteigen müssen, oder noch ne Idee brauchen, wo Se hinwoll´n … auch wenn Se Liebeskummer haben: Wenden Sie sich vertrauensvoll an mich. Ick wünsche Ihnen einen anjenehmen Aufenthalt.“

Krrrk. Ende der Durchsage. Der Bus fährt los. Ich halte den Atem an, da unten in meinem Rollkragen. Ist das gerade wirklich passiert..? Ich schaue mich um. Menschen lächeln. Einige kichern, manche schauen etwas verlegen, andere kommen ins Gespräch mit ihrem Sitznachbarn. Der Bus ist schlagartig so entspannt, dass wir prompt vergessen, jemandem zu sagen, dass er die Hintertür blockieren muss, weil wir dann nicht weiterfahren können.

Danke für diesen bunten Moment.

Go, Butze.