Lachyoga

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Sonntagmittag in Berlin. Februarsonne. S-Bahn.
Mein Freund Laszlo hat mir zu Weihnachten einen Gutschein für einen Workshop geschenkt, zu dem wir jetzt fahren. Ich habe mich nach Kräften gewehrt, habe versucht abzulehnen, aber er hat alles gegeben und meint es ja schließlich gut mit mir- und so sitzen wir nun in der S Bahn und fahren…
zum Lachyoga.
Hurra.

Wir klingeln in der Schöneberger Yogapraxis. Ein wirr lächelndes Gesicht taucht auf, das zu einer kleinen kurzhaarigen Frau um die 50 gehört. „Hallo ich bin die Anne, kommt rein.“ Die großen Augen vermitteln irgendwas zwischen „Huch, da sind Leute…“ und esoterischer Gelassenheit. Ich verspüre unvermittelt den Impuls, veganen Chaitee zu bereiten, dicht gefolgt von dem Impuls, wegzulaufen. Ich muß an die Grinsekatze aus Alice im Wunderland denken. Die fand ich als Kind immer sehr gruselig. Aber das ist eine andere Geschichte.
Flehend schaut Laszlo mich an. Er kennt meine Vorurteile und so viel Klischee entgeht auch ihm nicht. Also – ooohhhmmm. Wir schauen mal.

„Das ist der Anton“ sagt die Anne, und deutet auf einen verloren wirkenden Mann im schwarzen Rolli. Daneben: Margit, die ihr Lachen vor drei Jahren in Köln vergessen hat und es nun hier sucht.
Da fällt die Tür schwer ins Schloss und es wird klar: wir sind komplett.
Wir vier und Anne. Das ist die ganze Gruppe.

„Hilfe“ ruft es leise in mir – aus dem Abtauchen in der letzten Reihe wird wohl nichts..
Der Workshop ist auf 4 Stunden angelegt. Anne begrüßt uns mit leiser Stimme im Stuhlkreis. Wir sollen atmen und alles loslassen. Na gut. (Denke trotzdem darüber nach, ob das im Pflegeheim eigentlich auch Stuhlkreis heißt?) Da macht Anne Musik an. (Und sagt man da auch, sie sollen alles loslassen?) Fahrstuhlentspannungsmusik, mit einem lustigen Synthie-Rhythmus unterlegt. Wir tanzen auf Stoppersocken über den orangen Flokati. Nun schütteln wir die Beine aus. Dann die Arme. Dann wieder die Beine. So geht das etwa 10 Minuten, und ich habe jetzt wirklich keine Lust mehr, irgendwas an mir zu schütteln. Die Praxis liegt im Erdgeschoß, ich stehe mit dem Rücken zum Fenster, damit mich niemand erkennt, der vorbei geht. Man weiß ja nie.
Ok. Musik aus. Vorstellungsrunde. Erste Gähner. Anne sagt dann etwa 15 min. lang mit unterschiedlichen Worten wie toll und gesund Lachen ist.

Alle nicken wichtig. Wir atmen ins Zwerchfell.

Und weil Anne irgendwie den Faden verloren hat schütteln wir gleich nochmal Arme und Beine aus.
Nun kommt die Einweihung in das große Geheimnis des Lachyoga nach dem indischen Arzt Dr. Weisnichmea, es lautet – Achtung – gefühlter Trommelwirbel:

„Fake it ´til You make it!“

Lange fand ich keinen Satz mehr so traurig. Jeder Impuls zu lachen hat jäh meinen Körper verlassen. Mit angespannten Gesichtern stehen wir im Kreis. Anne formt ihre Hände zu einer Art Kelch und beginnt, ein sehr künstliches Lachen hinein zu lachen. Ha-ha-ha-ha macht sie und hi-hi-hi, der Kelch geht weiter im Kreis an Laszlo, der nun das Lachen weiterlachen soll. Er ist von Beruf Schauspieler, er kriegt das hin, auch wenn es nicht unbedingt vergnügt klingt. Dann Anton. Sein Gähnen vorhin war irgendwie sympathischer als dieses verzweifelte Zwerchfellrucken. Ok, Margit, unsere rheinische Frohnatur, kriegt´s wirklich fast hin, ein richtiges ansteckendes Lachen in ihre Hände zu lachen, nur bin danach halt leider ich dran. Die Töne, die sich meiner entringen, erinnern eher an ein verächtliches Hüsteln. Das ist mir zwar peinlich, aber es ist alles, was ich habe.
Und so zieht der Kelch weiter. Ich blicke mich um zum Fenster – Freiheit, Du holde – und entscheide im Stillen, in der nächsten Pause zu gehen. Anne kündigt die nächste Übung an.
Alle stellen sich in eine Reihe, nur jeweils einer aus der Gruppe steht gegenüber, macht drei Schritte auf die anderen zu und sagt dann kraftvoll „Ich bin Anne!“. Also, Anne sagt Ich bin Anne. Wir sollen schon unsere eigenen Namen nehmen. Jeder 3x, mit unterschiedlichen Gesten und Gang, und die Gruppe imitiert das Ganze dann direkt im Anschluss. Ich denke spontan „Ich bin Brian.“ Und kann wenigstens darüber kurz in mich hinein kichern.
Beim letzten Mal Vortreten sage ich derart aufstampfend und zickig meinen Namen, dass Anne erschrocken blinzelt. Ich muss hier raus. Es muss doch bald Pause sein? Mittendrin zu gehen erscheint mir irgendwie unsportlich.

In den nächsten anderthalb Stunden spielen wir uns Luftballons zu, formen unsere Finger zu Brillengläsern und amüsieren uns köstlich darüber. (Ha.Ha.Ha.) Auch bücken wir uns, stellen uns Hintern an Hintern und schütteln uns durch die Beine hindurch die Hände. Ich verweigere erste Übungen. Das Diskutieren in Zweiergruppen, also gespielte Kommunikation mit künstlichen Lachgeräuschen – dafür fehlt mir inzwischen die Kraft. Lange war mir nicht mehr so sehr nach weinen zumute. Als ich denke, es geht nicht mehr, kündigt Anne die Pause an.
Wir sollen uns nun sternförmig auf den Boden legen, die Köpfe in die Mitte. Anne stellt die Fahrstuhlmusik wieder ein und murmelt Sätze, in denen oft das Wort „Vielleicht“ vorkommt. Dann sagt sie „Wenn Ihr jetzt spürt, dass da noch ein Lachen in Euch ist, das hinaus möchte, dann lasst es raus… ha!.. Ha!.. Ha!“ In dem Moment beginnt Anton zu schnarchen. Ein ohrenbetäubendes, absolut ungefiltertes Sägen. Ich bin aufrichtig beeindruckt. Niemand sagt was, natürlich. Die Fahrstuhlmusik dudelt, Anton sägt, und für einen Moment betrachte ich die Szene auf dem Flokati von oben. Ich denke, hey, bei schlechter Musik neben einem schnarchenden Mann zu liegen, das hab ich zu Hause umsonst!
Über diesem Gedanken muss ich nun doch ein hysterisches Lachen unterdrücken. Aber das wäre jetzt einfach das falsche Signal.
Anne möchte vor der Pause dann noch wissen, wie es uns so geht jetzt. Keiner sagt was. Lange.
„Ich bin hier nicht richtig“ sage ich dann, so freundlich ich kann, „und ich werde jetzt gehen“ und mein treuer Freund Laszlo tut es mir gleich. Auch er ist maßlos enttäuscht. Es ist also nicht nur meine Verbohrtheit. Gott sei Dank.
Schon auf dem Herweg hatte ich ihm in der S-Bahn meine Angst gestanden. „Laszlo, was ist, wenn ich nicht lachen kann?“ Er hatte gelacht und gesagt „Na, dann lachst Du nicht! Das wird bestimmt urkomisch, wenn Du versuchst, als einzige nicht zu lachen!“ Wir hatten ja keine Ahnung…

Auf all das seichte Lachyoga-Gedöns müssen wir jetzt erstmal ein ganz herbes Bier trinken. Langsam können wir wieder lachen. Wir trinken auf die Freiheit des Zwerchfells. Und das Leben hat uns wieder.