Archiv der Kategorie: Allgemein

Hutlos im Bleibtreu

Savignyplatz. Hinter der Schaufensterscheibe: schicke Hüte aller Art, fein aufgereiht, dezente Preisschilder verraten: bei 300,- € geht´s los. Das Label dazu heißt This is no hats.
Bin zu müde, um über den tieferen Sinn dieses Namens zu fabulieren.

Schaufenster wie diese sind im übrigen ein Touristenindikator. Blondgesträhnte Teenagertöchter beölen sich mit der Nase an der Scheibe über die schrägen Designs,  mittelalte Segelschuhträger regen sich betont lautstark über die Preise auf.  Und so weiter.
Nur die, die die Miene nicht verziehen und cool so tun, als würde das alles hier irgendeinen Sinn ergeben und als hätten auch sie mindestens zwei 300€-Hüte im Schrank:  das sind die Berliner.
Wie ich…
Manchmal finde ich ehrliches Aufregen ja definitiv sympathischer als diesen ewigen Berliner Hochtrab. Muss ich bei Gelegenheit mal ausprobieren. Ohne Segelschuhe allerdings.
Gehe ein paar Schritte weiter und betrete das Café Bleibtreu. Manchmal ist ein Glas trockener Weißwein wichtiger als ein teurer Hut. Das Licht ist warm, die Bedienung nordisch-kühl, Hutlos im Bleibtreu weiterlesen

Sport

Na toll.
Sonntag. 10:07, eine Whatsapp-Nachricht: Unser sonniger Freund Ramin ist gerade schon mal 75 km durch den Morgen geradelt, schreibt er, und frühstückt jetzt.
Wahrscheinlich eine halbe Grapefruit, denke ich, und dreh mich auf die andere Seite. Noch im Halbschlaf hadert mein Gewissen mit der Tüte Chips von gestern Abend. Weiterschlafen klappt nicht. Ich gebe auf und beschließe, Kaffee zu kochen.
Also, Kaffee kochen zu lassen.
Da wo andere die Kaffeemaschine einschalten, schalte ich meinen Mann ein. Lange also freundlich nach rechts. Nix. Ein kaltes, leeres Bett. Und ein Zettel:

„Bin beim Kieser Training, bis später!“

Ich mag diesen Tag nicht. Diese ganzen funktionierenden ausgeschlafenen Menschen am frühen Morgen sind mir unheimlich. Gehe in die Küche und mache Kaffee. Mürrisch betrachte ich die herumliegenden Chipskrümel. Mahnmal abendlicher Eskapaden.
Wo andere Leute ein Alkoholproblem haben, da habe ich ein Chipsproblem. Ich kenne kein Maß. Mich wundert, dass diese Krümel hier überlebt haben. Wäre Griechenland eine Chipsfabrik in meiner Nähe – es gäbe Hoffnung. Sport weiterlesen

Wie ich einer 5 Kilo-Gans den Hintern zunähte

Es ist jetzt ungefähr sechs Jahre her. Ina Müller würde singen „Das ist jetzt ungefähr / drei Männer her“. Es begab sich also zu der Zeit, dass ein Duft von der Küche in der Vionvillestraße ausging, den nie zuvor ein Mensch vernommen hatte. Auf der ewigen Suche nach meinem ganz persönlichen Geist der Weihnacht hatte ich stur und an allen Einwänden vorbei entschieden, an Heiligabend einen Gänsebraten zu bereiten. Jauchzet, frohlocket. Ich war wild entschlossen, mich gegen die ungeflügelten Jahresendzeiterlebnisse der letzten Dekade aufzulehnen: gegen das Gehetze und Geputze, bevor meine Schwiegermutter zu Besuch kommt, gegen das ungemütliche Herunterschlingen kalter Buffets, damit die Kinder schnell an ihre Geschenke können, das Fehlen des Schnees, gegen Playmobil im allgemeinen und gegen das immer so rationierte Gänseessen bei Tante Hilde am 1. Feiertag im besonderen.
Also kaufte ich erstmal eine 5,2 kg schwere Gans. Wenn schon, denn schon.

Als sie so in meiner Küche lag, neben dem Beifuß und den Äpfeln (Cox Orange, Kind, hörte ich meine Mutter selig sprechen, immer Cox Orange), schien mich die Gänsehaut doch ein wenig anklagend anzuschauen. Stadtkind, das ich bin, finde ich tote Tiere im Ganzen schon recht unheimlich und goss mir erstmal ein Glas Rotwein zum Mutmachen ein. Wie ich einer 5 Kilo-Gans den Hintern zunähte weiterlesen